Aktuelle Betrachtungen

Wort an die Gemeinde

Liebe Gemeindeglieder und Interessierte,

im November, wenn das Tageslicht weniger wird, es oftmals kalt, regnerisch und nebelig ist, suchen wir öfters Friedhöfe auf. Hinterbliebene machen die Gräber ihrer Angehörigen winterfest. Und mit dem Ewigkeitssonntag (im Volksmund: Totensonntag) gibt es einen Termin, zu dem der Verstorbenen noch einmal besonders gedacht wird.

Gleichwohl sind solche Traditionen in einem starken Umbruch begriffen. Durch einen verstärkten Tourismus lernen wir andere Bestattungsbräuche kennen. Die erhöhte Mobilität wie das Vorherrschen von Kleinst- und Patchwork-Familien stellen die Gewohnheit von Familiengräbern über mehrere Generationen oder auch nur eine Grabpflege über die gesetzliche Ruhefrist von 20 Jahren in Frage. Häufig genug stoßen gesetzliche Bestimmungen oder auch nur die örtliche Friedhofsordnung auf Unverständnis und werfen Fragen auf:

● Warum gibt es den sogenannten Friedhofszwang: warum ist es nicht möglich, eine Urne zu Hause aufzubewahren oder im eigenen Grundstück beizusetzen?

● Warum gibt es auf kirchlichen Friedhöfen keine anonymen Gräberfelder?

● Warum müssen bei der Grabgestaltung Vorschriften beachtet werden und ist dies nicht ins Belieben der Hinterbliebenen gestellt?

In unserer Gemeinde befinden sich sämtliche Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft, oftmals sind sie als Kirchof rund um die Kirche angelegt. Wir nehmen damit im Auftrag der Allgemeinheit eine hoheitliche Aufgabe wahr, haben aber gleichwohl die Möglichkeit, besondere Akzente zu setzen, aus denen hervorgeht, dass es sich um einen kirchlichen Friedhof handelt – selbst wenn darauf natürlich nicht nur Gemeindeglieder bestattet werden.

So soll sich etwa an unseren Friedhöfen zeigen, dass jeder Mensch ein Geschöpf und Ebenbild Gottes ist, seine Würde unabhängig von allen Leistungen und Umständen seines Lebens hat. Diese Würde der Person bleibt auch über den Tod hinaus erhalten. Darum ist die Wahrung der Totenruhe das oberste Gebot jedes Friedhofs.

Verstorbene sind nicht „Eigentum“ ihrer Hinterbliebenen, die damit nach eigenem Gutdünken verfahren könnten. Dazu gehört, dass wir die Verstorbenen hergeben müssen – so schwer uns dies zunächst auch fallen mag. Indem wir sie der Erde anvertrauen, drücken wir dies aus und respektieren damit die Eigenständigkeit eines vergangenen Lebens. Die zunehmende Privatisierung und Anonymisierung des Lebens wie des Todes beobachten wir darum mit großem Unbehagen.

Nach dem christlichen Menschenbild betrachten wir den Einzelnen als Teil einer Gemeinschaft, der er angehörte. Darum soll seine Grabstätte erkennbar und die Trauerfeier der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Es ist unsere Aufgabe als kirchlicher Friedhofsträger, diese Anliegen zu wahren, unseren Friedhof als einen Ort der letzten und bleibenden Ruhe für unsere Verstorbenen zu erhalten, Raum und Gelegenheit für Trauer, Abschied und Gedenken zu schaffen. Dazu wird es gelegentlich gehören, sich modischen Trends zu widersetzen. Stattdessen wollen wir die kulturelle Tradition unseres Bestattungswesens fortsetzen. Das wird besser gelingen, wenn in den Familien dieses Thema aus den Überlegungen und Gesprächen nicht ausgeklammert wird.

Dass wir als Christen die Hoffnung haben dürfen, auch über unseren Tod hinaus mit Gott und untereinander verbunden zu bleiben, geht über die Belange eines Friedhofs hinaus. Das kann und soll in der Gemeinde gelebt werden. Dazu sind Sie herzlich eingeladen.

Ihr Pfarrer Dr. Martin Beyer

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