Aktuelle Betrachtungen

Wort an die Gemeinde

Liebe Gemeindeglieder und Interessierte

Wer schon einmal auf einem historischen Schiff gewesen ist und die Gelegenheit nutzen konnte, auf die Kommandobrücke zu gelangen, der hat bestimmt solch ein Steuerrad gesehen. Ein Schiff muss Kurs halten und durch schwere Gewässer hindurch. Dazu benötigt man ein solches Steuerrad. Das Schiff steht sinnbildlich für die Gemeinde beziehungsweise Kirche Jesu Christi, das durch das Meer der Zeit hindurchfährt. Dabei erlebt dieses Schiff Höhen und Tiefen, es gerät in schwere Gewässer oder droht, vom Kurs abzuweichen.

Martin Gotthard Schneider hat dazu ein passendes Lied gedichtet. Es heißt „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“.

Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit.
Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt Gottes Ewigkeit.
Das Schiff, es fährt vom Sturm bedroht durch Angst, Not und Gefahr,
Verzweiflung, Hoffnung, Kampf und Sieg, so fährt es Jahr um Jahr.
Und immer wieder fragt man sich: Wird denn das Schiff bestehn?
Erreicht es wohl das große Ziel? Wird es nicht untergehn?

Das Gemeindeschiff hat ein klares Ziel. Es ist auf Kurs. Dennoch gibt es immer wieder stürmische Zeiten: Schwindende Mitgliederzahlen, mangelnder Nachwuchs, Missbrauchsskandale oder schwindende Glaub-würdigkeit. Schon öfter hat man in der Geschichte gemeint, dass die Kirche bald ausgedient habe. Und doch hat sie immer wieder stürmische Zeiten mit Gottes Hilfe gemeistert. Weiter heißt es:

Das Schiff, das sich Gemeinde nennt, liegt oft im Hafen fest,
weil sich’s in Sicherheit und Ruh bequemer leben lässt.
Man sonnt sich gern im alten Glanz vergangner Herrlichkeit
und ist doch heute für den Ruf zur Ausfahrt nicht bereit.
Doch wer Gefahr und Leiden scheut, erlebt von Gott nicht viel.
Nur wer das Wagnis auf sich nimmt, erreicht das große Ziel.

Wer kennt es nicht? Manch einer schwelgt in Erinnerungen und es kommen Sätze, wie diese: Damals war doch alles gut. Die Kirchen waren voll, die Angebote wurden angenommen. Es war klar, dass in der Kirche getauft, konfirmiert, getraut und bestattet wird. Manch einer sagt auch: „Das haben wir immer schon so gemacht. Das ist Tradition.“ Doch verwechseln wir damit nicht Tradition mit Gewohnheit? Natürlich sind Traditionen wichtig, denn sie geben Halt. Aber Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers für das, wofür wir vor Begeisterung brennen. Deshalb macht uns das sture Festhalten an liebgewonnenen Gewohnheiten oft blind und taub für Gottes Ruf. Glaube ist immer auch ein Wagnis. Es ist ein Sprung – ohne sichtbares Netz und doppelten Boden –, aber kein Sprung ins Ungewisse, sondern ein Sprung in Gottes Hand.

Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, muss eine Mannschaft sein,
sonst ist man auf der weiten Fahrt verloren und allein.
Ein jeder stehe, wo er steht, und tue seine Pflicht;
wenn er sein Teil nicht treu erfüllt, gelingt das Ganze nicht.
Und was die Mannschaft auf dem Schiff ganz fest zusammenschweißt
in Glaube, Hoffnung, Zuversicht, ist Gottes guter Geist.

Gemeinde ist keine Soloveranstaltung für Einzelpersonen – weder im Haupt- noch im Neben- oder Ehrenamt. Gemeinde ist angewiesen auf Gemeinschaft. Gemeinde lebt von unterschiedlichen Gaben und Begabungen. Jede und jeder kann sich in dieser Gemeinde in unterschiedlicher Art und Weise

einbringen. Zusammengehalten wird alles durch den Heiligen Geist, der Menschen auf unterschiedliche Weise begabt. Dabei gilt auch, dass jeder einzelne wichtig ist. Es gibt dabei keine Rangordnung. Jede Begabung ist gleichwertig und wichtig.

Im Schiff, das sich Gemeinde nennt, fragt man sich hin und her:
Wie finden wir den rechten Kurs zur Fahrt im weiten Meer?
Der rät wohl dies, der andre das, man redet lang und viel
und kommt – kurzsichtig, wie man ist – nur weiter weg vom Ziel.
Doch da, wo man das Laute flieht und lieber horcht und schweigt,
bekommt von Gott man ganz gewiss den rechten Weg gezeigt.

Viel und oft lautstark wird diskutiert. Was sollen wir tun? Wo müssen wir sogar Vorreiter sein? Welche Aktionen sollen wir machen, damit wir wieder attraktiver werden? Fragen, die durchaus berechtigt und wichtig sind. Aber sind sie zielführend? Sollte eine Gemeinde nicht zuerst eine betende Gemeinde sein? Sollten die Hände, die gerne anpacken, nicht zuerst gefaltet werden? Als Gemeinde in Raum und Zeit sind wir gut beraten zu beten. Alles soll und MUSS aus der Kraft des Gebetes kommen und in selbiges münden. Nur eine betende Gemeinde bekommt von Gott den rechten Weg gezeigt. Nur eine betende Gemeinde bekommt von Gott gesagt, was zu tun oder was zu lassen ist.

Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, fährt durch das Meer der Zeit.
Das Ziel, das ihm die Richtung weist, heißt Gottes Ewigkeit.
Und wenn uns Einsamkeit bedroht, wenn Angst uns überfällt:
Viel Freunde sind mit unterwegs auf gleichen Kurs gestellt.
Das gibt uns wieder neuen Mut, wir sind nicht mehr allein.
So läuft das Schiff nach langer Fahrt in Gottes Hafen ein.

Als Schiff, das sich Gemeinde nennt, sind wir unterwegs durch das Meer der Zeit. Es gibt einen klaren Kurs, eine Richtung und eine Zukunft – Gottes Ewigkeit. Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Dieses Ziel ist unser Kompass in unsicheren Zeiten. Dieses Ziel will uns Kraft und Mut schenken, damit wir in diesen unsicheren Zeiten auf Kurs bleiben. Auch in der Bibel hören und lesen wir von unsicheren Zeiten. Ein Beispiel davon ist die Erzählung von der Sturmstillung. Diese können Sie in Markus 4, 35-41 nachlesen.

Biblisch gesprochen sind wir als Gemeinde wie die Jünger, die in stürmischer Zeit verängstigt im Boot sitzen. Sie wecken Jesus auf. ER bedroht den Sturm und es kehrt wieder Stille ein. Am Ende stellt ER den Jüngern und damit auch uns die Frage: „Warum so furchtsam? Habt ihr keinen Glauben?“ (Markus 4, 40) Gott bewahrt uns nicht vor Herausforderungen, aber ER hat uns SEINE bleibende Nähe versprochen. Gott geht mit uns durch die Zeit mit allen Höhen und Tiefen. Wichtig ist, dass wir uns an IHN festklammern. Denn Jesus Christus ist es, der das Schiff der Gemeinde zum verheißenen Ziel steuert. Wir brauchen nur zu IHM rufen:

Bleibe bei uns, Herr! Bleibe bei uns, Herr, denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer. O bleibe bei uns, Herr!

Bleiben Sie behütet!

Ihr Pfarrer Jan Herfen

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