Aktuelle Betrachtungen

Wort an die Gemeinde

Liebe Gemeindeglieder und Interessierte,

 „Wir werden einander viel zu verzeihen haben“, lautete die Aussage eines ehemaligen Bundesgesundheitsministers im Zuge der Coronamaßnahmen vor fünf Jahren. Anscheinend ahnte er bereits, dass diese oder jene Maßnahmen auf große Widerstände stoßen werden und dass sie zu emotionalen Verwerfungen führen würden. Bis heute gibt es Menschen, die bisher engste Freunde waren und sich seitdem entzweit haben. Manches Mal möchte man dem einen oder anderen sagen: „Das Ganze ist doch nun lange her. Jetzt musst du ihm doch verzeihen!“ Vielleicht wird bei dem einen oder anderen noch der Satz hinzugefügt: „Du bist doch Christ!“ Schon wieder – eigentlich möchte ich es nicht mehr hören. Und außerdem MUSS ich das?

Nun ja, christlicher Glaube lebt von der Vergebung. Schon im Vaterunser heißt es ganz gewichtig: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Vergebung aber ist eine Kunst, die nicht immer einfach ist. Und Vergebung lässt sich nicht erzwingen. Manchmal sind Verletzungen so tief, dass eine Vergebung nur sehr schwer möglich ist. Manch einer wird sogar niemals vergeben können. Auf der anderen Seite sollten wir es uns auch nicht zu einfach machen. Wenn ein guter Freund zu mir sagt: „Du, übrigens neulich habe ich Dich angelogen. Tschuldigung!“, und ich würde darauf antworten: „Du, das macht nichts, ist nicht so schlimm.“, dann würde ich diese Freundschaft nicht einmal im Ansatz ernst nehmen, da eine Lüge ein gewaltiger Vertrauensmissbrauch beinhaltet.

Wie aber soll es nun „richtig“ gehen? Im ersten Johannesbrief heißt es: „Wenn wir unsere Schuld eingestehen, ist Gott treu und gerecht: Er vergibt uns die Schuld und reinigt uns von allem Unrecht, das wir begangen haben.“ (1. Johannes 1, 9). Dieser Abschnitt macht uns klar, dass der Vergebung Schritte vorausgehen müssen, damit sie geschehen kann: 1. Erkennen, 2. Bekennen, 3. Bereuen und 4. Beenden der Schuld vor den Menschen und vor Gott. Es geht um die schonungslose Selbsteinsicht, dass ich etwas falsch gemacht habe. Wenn ich Schuld von mir schiebe, indem ich auf die Umstände verweise, dann wird das Dunkle in mir nicht gereinigt, dann findet keine echte Versöhnung statt.

Im bekannten Gleichnis vom verlorenen Sohn kommt dieser erst in der Fremde zur Erkenntnis, dass er auf falschem Wege war, indem er sagt: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ (Lukas 15, 21). Natürlich gibt es Menschen, die niemals vergessen oder vergeben. Aber Gott sagt uns SEINE Vergebung zu, wenn wir unsere Schuld und unsere Verfehlung bereuen, diese IHM bekennen und IHN um Vergebung bitten. Dazu möchte ich SIE ermutigen. (13.05.2025)

Bleiben Sie behütet.

Ihr Jan Herfen

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